Wie oft bist Du wirklich wach und präsent im Jetzt?
Wartest Du auf besser Zeiten oder schwelgst Du in alten Zeiten, oder haderst Du mit längst vergangenen und nicht mehr zu ändernden Begebenheiten?
Selten sind wir wirklich präsent, unser „Alltagsmodus“ sieht oft so aus, dass wir Dinge völlig unbewusst und automatisch erledigen.
Wie bunt und wie reizvoll ist aber doch das Jetzt!?
Im Jetzt findet alles statt, was unser Leben ausmacht. Im Jetzt kann ich glücklich sein, gesund sein, hoffnungsvoll sein, voller Vorfreude sein, friedlich sein, traurig sein, wüntend sein, voller Angst sein, frustriert sein, stark sein, schwach sein, unvollkommen, verbunden oder getrennt sein, mich ungenügend fühlen und noch so vieles mehr. Alles, was ich aus dem Jetzt an Erfahrungen und Wissen mitnehme, kann mir im zukünftigen Jetzt als Ressource dienen.
Im Jetzt darf alles sein. Es ist, wie es ist – ganz egal, ob es mir angenehm oder unangenehm ist. Es ist das Leben selbst, und es ist unmittelbar. Eine offene und neugierige Haltung demgegenüber führt mich zu neuen Möglichkeiten. Das Ungewisse fordert mich heraus, und ich habe immer die Wahlfreiheit zwischen alten, vertrauten Handlungsweisen, die aber Stagnation bedeuten oder aber neuen, interessanten Möglichkeiten, die Chancen sein können. Und mal ganz ehrlich: Wenn Du Dich jetzt in diesem Moment hinsetzt und die Augen schließt, was passiert dann? Wahrscheinlich sitzt Du warm und trocken zu Hause, hast gut gegessen, und das Einzige was Dich plagt, sind Deine Gedanken an Vergangenes oder Zukünftiges.
Es könnte so einfach sein, wenn ich frei wäre von Bewertungen, Konzepten, Meinungen, Vorlieben oder Abneigungen. Wenn ich einfach nur wahrnehmen würde im Jetzt, ohne mich von den aktuellen Empfindungen und Zuständen im Körper wegführen zu lassen durch aufkommende Gedanken oder Impulse aus dem Außen.
Warum ist es nur so schwer, im Jetzt zu sein?
Manchmal will ich einfach nicht im Jetzt sein und will mich ablenken von schwierigen Emotionen, Ängsten, alten Dämonen oder neuen Herausforderungen, denen ich mich gerade nicht stellen will. Und manchmal bin ich einfach unbewusst und unfokussiert und auf Autopilot geschaltet und funktioniere einfach, bin sozusagen im Überlebensmodus. Alles ist gut, vieles kann ich so erledigen. So kann ich wunderbar meine To-Do Liste abarbeiten. Aber in diesem Modus lebe ich am Leben vorbei und nehme am Ende vom Tag nichts mit, was mich nährt oder mir Kraft gibt und kann den Tag dann einfach als ungelebt abhaken.
Ganz schnell bin ich weg vom Jetzt. Wenn ich zum Beispiel morgens schon auf mein Handy schaue, Emails lese oder die neuesten Posts auf Instagram, dann bin ich sofort raus aus meinem Jetzt und den Empfindungen, die der jetzige Moment mir bietet. Ich bin dann beschäftigt mit den Fragen und Anliegen oder schönen Fotos der anderen, und wenn ich nicht achtsam bin, fange ich an zu vergleichen mit dem, was bei mir gerade ist und dem vermeintlich perfekten Leben der anderen. Alles im Außen lenkt mich dann ab von meinem Jetzt. So kann ich den ganzen Tag weitermachen, wenn ich nicht aufpasse.
Wenn ich zum Beispiel traurig bin, das aber nicht sein will oder Angst habe und dieses Gefühl ablehne, dann ist es so einfach, mich durch Social Media abzulenken oder in sonstigen Aktionismus zu verfallen.
Was passiert dann mit dem Jetzt? Jetzt ist wieder jetzt – Hurra! Ein 24 Stundentag hat 86.400 Sekunden. Wenn das Jetzt ca. 3 Sekunden dauert, dann habe ich 28.800 mal am Tag die Möglichkeit, das Jetzt zu leben – unglaublich, oder? Das sollte doch wohl 2 oder 3 mal am Tag machbar sein!?
Oft gibt es aber Tage, die vorüber rasen, an denen ich aufstehe, meine Pflichten erfülle, mehrere Dinge gleichzeitig tue und in Gedanken noch weiter galoppiere und dann abends todmüde ins Bett falle und – huch, war jetzt was?
Dieses Jetzt ist so schlicht und so entscheidend. Im gegenwärtigen Moment ist die ganze Fülle und Bandreite des Lebens enthalten. Wenn ich mich auf das Jetzt einlasse, erlebe ich auch diese kurzen Glücksmomente, die oft unerwartet kommen in Form eines Lächelns, einer netten Geste, eines schönen Gedankens oder einer Aussage meiner Kinder.
Zum Beispiel gibt es diese wunderbaren Momente, in denen ich meinen Sohn beobachte, der völlig versunken im Jetzt mit seinen Autos spielt und „tatütata“ schreit oder ein ernstes Wort mit seinem Teddy spricht. All das verpasse ich wenn ich nicht im Jetzt bin oder schon wieder gedanklich woanders bin.
Auch die ungemütlichen Momente liefern mir am Ende etwas, woran ich wachsen und lernen kann. Es sind immer die Herausforderungen und Schwierigkeiten, die uns weiterbringen und uns zu neuen spannenden Erkenntnissen führen.
Jon Kabat-Zinn sagt, es ist immer der richtige Moment, um anzufangen, bewusst und achtsam zu sein. Das ist toll, denn dann habe ich ja heute noch ein paar Mal die Möglichkeit dazu. Allerdings ist ja morgen auch wieder jetzt!
Es wäre völlig illusorisch, den ganzen Tag achtsam sein zu wollen. Unser menschlicher Geist ist so konditioniert, ständig neue Gedanken zu produzieren, mal komplett hirnrissig und mal sinnvoll. Wenn ich im Jetzt bin, wird mir auch schnell bewusst, wenn ich wieder in meine bekannte Sachgasse renne. Dann kann ich umkehren und auf einen neuen Gedanken warten, der mir in meiner jetzigen Situation dienlicher ist.
Bin ich allerdings auf Autopilot geschaltet, dann hadere ich mit der Vergangenheit oder mit Menschen, die ich nicht ändern kann, führe in Gedanken unmögliche Diskussionen mit Menschen, die gar nichts davon wissen oder bin in der ungewissen Zukunft und am Ende des Tages völlig erledigt von Dramen und Geschichten, die nur in meinem Kopf stattgefunden haben.
Jetzt konzentriere ich mich lieber auf meinen Atem, beobachte, wie sich die Bauchdecke hebt und senkt und nehme alle Empfindungen meines Körpers wahr, erlaube den Gedanken zu kommen und gehen und auch den damit verbundenen Gefühlen da zu sein und weiter zu ziehen.
Alles Liebe, Silke