Man braucht nicht sehr viel Aufmerksamkeit, um zu sehen, dass sich unsere Welt gefühlt immer schneller dreht und und die Herausforderungen, die an uns gestellt werden und auch die Herausforderungen, die wir auch an uns selbst stellen, immer größer werden.
Es gilt als fast normal, 24 Stunden am Tag online und stets verfügbar zu sein. Es leuchtet mir daher vollkommen ein, dass viele Menschen kaum noch zur Ruhe kommen, schlaflose Nächte dazu gehören, der Geist unablässig rattert und viele Menschen dadurch irgendwann am Rande der Erschöpfung landen.
Das „Tun“ wird in unserer Gesellschaft sehr viel höher angesehen, als das „Sein“. Auch ich kenne den Satz: „Was sitzt Du hier herum, hast Du nichts zu tun?“
Unser Leben ist aber nicht qualitativ besser wenn es übervoll ist, sondern wir geraten dadurch leicht in die Gefahr nur noch hinterher zu galoppieren, überhaupt nicht mehr bei der Sache zu sein, die im Moment ansteht, sondern immer schon 5 Schritte voraus zu sein und irgendwann total gestresst.
Wir Menschen sind keine Roboter und unser menschlicher Körper und Geist sind nicht dafür gemacht, unablässig auf Hochtouren zu laufen. Wir unterliegen alle einem Wach-Schlaf-Rhythmus. Unser Körper braucht diese Schlaf- und Ruhephasen, um zu regenerieren, sämtliche Körperfunktionen in Gang zu halten und gesund zu bleiben. Längerfristige Misachtung dieses Rhythmus kann zu ernsthaften körperlichen und psychischen Erkrankungen führen. Manchmal fordert der Körper auch selbst die Auszeit - Burnout.
Die Verabredung mit sich selbst und Zeit für Stille darf man daher nicht dem Zufall überlassen, man muss sie sich regelrecht in den Terminkalender einplanen. Es erfordert allerdings ein bisschen Disziplin und Motivation, um dies auch durchzuziehen.
Stille ist ein Freiraum
Zeit für Stille und innere Einkehr kann z.B. am frühen Morgen sein, wenn der Rest der Familie noch schläft und der Kopf noch nicht voll ist mit dem Alltagsgeschehen.
Auch schon kurze Phasen, z.B. 10 Minuten am Morgen, die für Dehnübungen, Yoga oder Meditation eingeplant werden, helfen viel. Der Start in den Tag ist definitiv ein anderer.
Stille ist auch immer unterschiedlich und hat viele Facetten. Sie kann mal entspannt sein, beruhigend, befreiend, mal beängstigend, einschüchternd, gruselig, bedrückend, etc. Sie gibt uns in jedem Fall die Möglichkeit, mit uns selbst und allem, was in uns vorgeht, in Kontakt zu kommen.
Unser Geist braucht Stille, um all die Eindrücke zu verarbeiten, die unablässig auf uns einprasseln. Auch während des Tages brauchen wir Muße, um zu neuen Perspektiven im Denken zu gelangen.
Es gibt das Bild vom sehr bewegten, aufgewühlten und schlammigen See, dessen Grund gar nicht mehr sichtbar ist. Im übertragenen Sinne ist unser Geist auch oft so aufgewühlt, bewegt und zerstreut, dass kein klarer Gedanke mehr möglich ist. Erst ein Eintauchen in die Stille, ein Nicht-Tun kann den Geist wieder klären und den Blick fürs Wesentliche wieder möglich machen.
Stille ermöglicht Selbstbeobachtung, den eigenen Mustern, Glaubenssätzen, Vorstellungen und Meinungen auf die Spur zu kommen.
Stille hat nichts mit Langeweile zu tun. Sie hilft eher dabei, neue Kraft und Energie zu schöpfen aus dem Inneren. Die Stille macht ein Lauschen nach innen möglich, in die Leere, die Pause zwischen den Atemzügen und den Gedanken.
Die Stille ermöglicht:
- Dem Atem zu lauschen
- Den Gedanken zuzuhören
- Die Gefühle zu fühlen
- Die Körperempfindungen zu spüren
Da alles im Fluß ist und stetiger Wandel Programm ist, Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen kommen und gehen, wird es niemals eintönig.
Wir brauchen diese Ruheoasen, Zeit für uns selbst, Zeit zum Auftanken, die Seele baumeln zu lassen und neue Kraft zu schöpfen.
Wann ist Deine beste Zeit für Stille?
Ich möchte Dich einladen, Dir einmal Gedanken zu machen, welche Zeitfenster für eine Verabredung mit Dir selbst und für Deine Ruhephasen am besten in Frage kommen.
Im Folgenden habe ich 3 kurze Übungen für Dich, die Dich in die Stille führen:
1. Atemübung – Wellen am Strand
Finde zunächst einen aufrechten Sitz, entweder auf einem Stuhl oder Meditationskissen und schließe die Augen. Atme dann tief durch die Nase ein und tief durch den Mund aus, um die Alltagsanspannung mehr und mehr loszulassen. Lass dann die Atemzüge gleich lang werden, zähle einatmend z.B. auf 4 und auch ausatmend auf 4. Stelle Dir dann vor, Du sitzt am Strand, blickst auf’s Meer und beobachtest die Wellen. Mit jeder Einatmung lässt Du dann zu, dass Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen zu Dir hingespült werden, und ausatmend gibst Du mit der nächsten Welle alles wieder zurück ins Meer.
Verweile so lange in der Übung, wie es sich für Dich angenehm anfühlt und lass dann mit einer Ausatmung alles los, öffne langsam wieder die Augen und komm zurück ins Außen in Deinen Alltag.
2. Wolken beobachten
Setz Dich ans Fenster, richte den Blick in den Himmel und beobachte einfach die Wolken. Beobachte ihre Formen, vielleicht kannst Du Tiere oder Gesichter erkennen und nimm einfach das Kommen und Weiterziehen der Wolken am Himmel wahr - nichts tun, nicht denken, nur beobachten. Verweile so lange in dieser Übung, wie Du magst und kehre dann wieder zurück in Deinen Alltag.
3. Spaziergang im Grünen
Begib Dich nach draußen ins Grüne, vielleicht in den Wald, auf ein Feld oder auch einen nahegelegenen Park. Atme tief durch die Nase ein und tief durch den Mund aus, um die Alltagsanspannung loszulassen. Erde Deine Füße ganz bewusst und fang dann langsam an zu gehen. Beobachte, wie sich die Erde unter den Füßen anfühlt, wie sich jeder einzelne Schritt anfühlt und wie sich Dein Körper anfühlt. Nimm auch Deine Stimmung wahr. Es gibt kein Ziel zu erreichen, es geht um absichtsloses Gehen. Nimm das Wunder des Gehens wahr und wie viele Vorgänge im Körper zusammenspielen müssen, damit das Gehen überhaupt möglich wird. Bleib so lange bei der Übung, wie es für Dich angenehm ist.
Diese Übungen können jederzeit auch in einen vollen Alltag eingebaut werden. Du kannst sie überall machen, wo auch immer Du gerade bist. Beobachte, was sie bei Dir bewirken.
Vielleicht kannst Du in der Stille Frieden finden und die Verbundenheit spüren mit allem, was ist.
Alles Liebe, Silke